Zu langsam gearbeitet – Richter scheitert vor dem Bundesverfassungsgericht
Das Verfahren, in dem sich ein OLG-Richter gegen eine Ermahnung zu seinem Arbeitstempo wehrt, dauert schon mehrere Jahre. Nun hat das BVerfG zum zweiten Mal eine Verfassungsbeschwerde des Richters nicht zur Entscheidung angenommen.
Verfassungsbeschwerde unzulässig
Nach Ansicht des Gerichts ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit nicht substantiiert dargelegt wurde. (Beschl. v. 11.11.2021, Az. 2 BvR 1473/20).
Der Beschwerdeführer ist Richter am Freiburger Außensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Im Rahmen der Dienstaufsicht war ihm gegenüber mit Bescheid der Vorhalt ordnungswidriger Ausführung seiner Amtsgeschäfte ausgesprochen worden (§ 26 Abs. 2 DRiG) und er wurde zu ihrer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung ermahnt.
Weniger Erledigungen als ein Halbtagsrichter
Ausgangspunkt war, dass die (ehemalige) OLG-Präsidentin die Erledigungszahlen des Beschwerdeführers mit dem Pensum anderer Richter und Richterinnen am OLG Karlsruhe verglichen hatte. Sie kritisierte daraufhin, er unterschreite das durchschnittliche Erledigungspensum „ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche“.
Konkret hatte er in den Jahren 2008 bis 2010 nur eine Erledigungsleistung von etwa 68 Prozent der Leistung der vergleichbaren anderen OLG-Richter und Richterinnen in diesem Zeitraum. 2011 habe er sogar weniger Verfahren als ein Halbtagsrichter erledigt.
Richter geht gegen Rüge vor – langer Instanzenzug
Der Richter erhob gegen den Bescheid Widerspruch und stellte einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Bescheids vor dem Dienstgericht. Beides blieb erfolglos, ebenso die danach eingelegte Berufung.
Er sieht in der Rüge einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Das Dienstgericht in Baden-Württemberg und der Dienstgerichtshof (DGH) beim OLG haben die Rüge bestätigt. Der BGH hob das Urteil 2017 auf und verwies erneut an den DGH, wogegen der Richter Verfassungsbeschwerde erhob. Die damals schon als unzulässig abgewiesen wurde. Erneut vor dem DGH, unterlag er wieder und auch der BGH bestätigte die Rüge erneut.
Zweite Verfassungsbeschwerde ebenfalls erfolglos
Zuletzt bleibt auch der zweite Versuch einer Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg, da die Möglichkeit der Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit nicht substantiiert dargelegt wurde, so die Richter.
Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit?
Die richterliche Unabhängigkeit sah der Beschwerdeführer deswegen als verletzt an, da die OLG-Präsidentin ihn mit der Ermahnung zur Erzielung bestimmter Durchschnittszahlen aufgefordert habe.
Bereits der DGH hatte angemerkt, dass die Rüge so zu interpretieren sei, dass der Richter „selbst seine Arbeitsweise reflektieren kann auf etwaige Vorgehensweisen, die ihn unnötig viel Zeit kosten, ohne dass sich dies auf die Prüfung der einzelnen Fälle oder allgemein die Qualität der Rechtsprechung auswirken könnte.“ Nicht berührt sei damit die eigentliche Rechtsprechung oder Bearbeitungssorgfalt, sondern vielmehr organisatorische Faktoren. Gemeint war nicht, dass der Richter in einem bestimmten Sinn entscheiden solle, so auch der DGH.
Beschwerde nicht nachvollziehbar begründet
Der Richter konnte nicht eindeutig darlegen, dass er selbst ‒ anders als seine Kolleginnen und Kollegen ‒ dem Vorhalt nur durch eine Änderung der Rechtsanwendung nachkommen könnte, die von ihm nur unter Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit verlangt werden könnte.
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 97/2021 v. 23.11.2021