Unzulässig: Fiktive Beurteilung eines freigestelltem Personalratsmitglieds
Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hat am 8. April 2025 (Az. 5 ME 65/24) ein wegweisendes Urteil zum Schutz von Personalratsmitgliedern gefällt: Eine fiktive Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung eines freigestellten Personalratsmitglieds ist unzulässig, wenn eine reguläre Bewertung möglich gewesen wäre.
Das Urteil sorgt für mehr Chancengleichheit bei Beförderungsverfahren im öffentlichen Dienst und setzt ein klares Signal gegen strukturelle Benachteiligungen
Hintergrund: Streit um Führungsposition
Ausgangspunkt des Verfahrens war die Besetzung einer Führungsposition in einer Bundesbehörde. Ein Technischer Oberregierungsrat (A 14), der seit August 2021 vollständig für Personalratstätigkeiten freigestellt war, bewarb sich auf eine höherwertige Stelle. Für den relevanten Beurteilungszeitraum wurde seine letzte dienstliche Bewertung aus dem Jahr 2020 lediglich fiktiv fortgeschrieben, obwohl er bis zur Freistellung noch regulär Dienst geleistet hatte. Der Mitbewerber erhielt hingegen eine aktuelle Regelbeurteilung mit Bestnote.
Gericht: Auswahlentscheidung war rechtswidrig
Die Behörde entschied sich auf Basis dieser Beurteilungen für den Mitbewerber. Der freigestellte Bewerber klagte und bekam zunächst vor dem Verwaltungsgericht Recht. Das OVG Niedersachsen bestätigte diese Entscheidung: Die Auswahlentscheidung verstoße gegen Art. 33 Abs. 2 GG, weil sie nicht auf einer rechtlich existenten, aktuellen Beurteilung beruhte. Eine fiktive Fortschreibung komme nur in Betracht, wenn eine reguläre Beurteilung nicht möglich ist. Das war hier nicht gegeben, da Beurteilungsbeiträge für mehr als 18 Monate vorlagen. Die Entscheidung, eine fiktive Fortschreibung vorzunehmen, verletze somit den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers und stelle eine unzulässige Benachteiligung dar.
Signalwirkung für den öffentlichen Dienst
Das Urteil stärkt das Benachteiligungsverbot nach § 52 BPersVG. Personalratsmitglieder dürfen durch ihre Freistellung nicht schlechter gestellt werden als andere Beschäftigte. Besonders kritisch sah das Gericht, dass fiktive Fortschreibungen oft dazu führen, dass freigestellte Personalräte keine Bestnoten mehr erhalten können – was ihre Karrierechancen erheblich schmälert. Die Verwaltung ist nach diesem Urteil verpflichtet, immer zu prüfen, ob eine reguläre Beurteilung möglich ist. Wo ausreichend Dienstzeiten vorliegen, darf keine fiktive Fortschreibung erfolgen.