Namensnennung der vom betrieblichen Eingliederungsmanagement betroffenen Beschäftigten gegenüber dem Personalrat
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Beschluss vom 15. März 2016 (17 P 14.2689) seine bisherige Rechtsauffassung zur Weitergabe der Namen der vom betrieblichen Eingliederungsmanagement betroffenen Beschäftigten aufgegeben und sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 4. 9.2012 – 6 P 5.11) ausdrücklich angeschlossen.
Der Tenor des BayVGH lautet: Der Dienststellenleiter hat einem vom Personalrat bestimmten Mitglied regelmäßig – hier monatlich – die Namen der Beschäftigten, denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX anzubieten ist, unabhängig von deren Zustimmung mitzuteilen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Beschl. v. 12.6.2012 – 7 P 11.1140 – PersV 2012, 383 m.w.N., in Anlehnung an BVerwG, Beschl. v. 04.09.2012 – 6 P 5.11 – BVerwGE 144, 156).
Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung ist laut BayVGH nunmehr ein Anspruch des Personalrats dahingehend zu bejahen, vom Dienststellenleiter die Namen der Beschäftigten ohne Angabe der exakten Dauer der Krankheitszeiten zu erhalten, denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX anzubieten ist, unabhängig von deren Zustimmung (vgl. Leitsatz). Insbesondere bezüglich der Frage der diesbezüglichen Erforderlichkeit hatte die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses Bedenken kundgetan.
In dem sehr ausführlich begründeten Beschluss vom 15. März 2016 stellte der BayVGH heraus, dass es Aufgabe des Personalrats als der zuständigen Interessensvertretung sei, dass der Dienststellenleiter als Arbeitgeber die ihm nach § 84 SGB IX zum betrieblichen Eingliederungsmanagement obliegenden Pflichten erfülle. Demgemäß habe der Personalrat auch darüber zu wachen, dass der Dienststellenleiter den Kreis der betroffenen Beschäftigten zutreffend ermittle und allen Betroffenen ein ordnungsgemäßes Eingliederungsangebot unterbreite (Rn. 23 des Beschlusses).
Zwar betonte der BayVGH, dass Informationen unter Namensnennung stets mit einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verbunden sind und daher anonymisiert zu unterrichten sei, wenn dies für eine effiziente Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe durch den Personalrat ausreiche (Rn. 28). Für die Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe im Zusammenhang mit Phase 1 des betrieblichen Eingliederungsmanagement sei die Mitteilung anonymisierter Daten jedoch nicht ausreichend (Rn. 29 ff.).
Der Personalrat dürfe die geforderten Daten jedoch nur nutzen, um seinem gesetzlichen Überwachungsrecht nachzukommen und zu überprüfen, ob der Dienststellenleiter alle betroffenen Beschäftigten richtig erfasst und ihnen ein ordnungsgemäßes Integrationsangebot unterbreitet hat (Rn. 35). Sollte hierzu erforderlich sein, dass sich der Personalrat Gewissheit dadurch verschafft, dass er stichprobenartig bei einzelnen Beschäftigten nachfragt (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 4. 9. 2012 – 6 P 5.11 – BVerwGE 144, 156, Rn. 15 m.w.N.), habe er dabei allerdings zu beachten, von dieser Möglichkeit nur äußerst zurückhaltend – im Sinne einer ultima ratio – Gebrauch zu machen und sich bei der Nachfrage beim Betroffenen strikt darauf zu beschränken, ob dem Betroffenen das Unterrichtungsschreiben der Dienststelle tatsächlich zugegangen ist (Rn. 34).
Soweit der BayVGH in der vorliegenden Entscheidung eine monatliche Namensnennung in ihrer Rechtmäßigkeit beurteilt, ergibt sich diese zeitliche Komponente aus den konkreten Umständen des Einzelfalls. Je nach organisatorischer Vorgehensweise der Dienststellenleitung bzw. der Personalabteilung bei der Erfassung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfte auch ein anderes zeitliches (größeres) Intervall hinreichend sein (Rn. 41).
Im weiteren Verlauf der Entscheidungsgründe verneint der BayVGH die Anwendbarkeit von Art. 69 Abs. 2 Satz 6 BayPVG (Herausgabe von Personalakten nur mit Zustimmung des Beschäftigten), da die Liste der Beschäftigten nicht Teil einer Personalakte sei (Rn. 42 ff. mit Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 23 .6. 2010 – 6 P 8.09 – BVerwGE 137, 148, Rn. 45 m.w.N.). Auch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes und das Recht der betroffenen Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG stehen aus Sicht des BayVGH – bezüglich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BayVGH im Beschl. v. 12. 6. 2012 – 17 P 11.1140 (PersV 2012, 383, Rn. 17 ff.) – nicht entgegen (Rn 45 f. und 47 ff.).
In Rn. 56 ff. der Beschlussgründe stellt der BayVGH abschließend heraus, dass das In-formationsbegehren jedoch auf ein einzelnes Personalratsmitglied begrenzt sei und der Personalrat wegen der Vertraulichkeit und Sensibilität der betreffenden Daten sein Augenmerk besonders auf die Auswahl des betreffenden Personalratsmitglieds legen sollte. Die ihm durch Einsichtnahme bekanntgewordenen Tatsachen dürfe das ausgewählte Personalratsmitglied den übrigen Personalratsmitgliedern nicht offenbaren. Soweit erforderlich könne das ausgewählte Personalratsmitglied die gewonnenen Erkenntnisse in Form von Schlussfolgerungen in die Beratung des Personalrats einbringen.
Insofern dürfte es – wie so oft im Personalvertretungsrecht – auf die konkrete Zusammenarbeit zwischen Dienststellenleitung und Personalrat und das konkrete Agieren des Personalrats im sensiblen Bereich des betrieblichen Eingliederungsmanagements ankommen, um die tatsächlichen Auswirkungen dieser Entscheidung einzuschätzen. Nur ein sensibler Umgang der Dienststellenleitung und des Personalrats mit Gesundheits- bzw. Krankheitsdaten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht schließlich, dass sich die Chancen, die einem betrieblichen Eingliederungsmanagement innewohnen, tatsächlich entfalten können.
Das Bayerische Ministerium für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat hat daraufhin einen Leitfaden für das künftige Verfahren in derartigen Fällen erlassen (Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 20. Mai 2016 – 26-P 1050-1/20):
Einem von der Personalvertretung benannten Mitglied und im Verhinderungsfall dessen Vertretung ist grundsätzlich monatlich eine Namensliste (die Namensliste enthält ausschließlich die Mitteilung, dass die dort genannten Beschäftigten im maßgeblichen Jahreszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren) der vom BEM betroffenen Beschäftigten unter Angabe der Organisationseinheiten – jedoch ohne Angaben über Art und Dauer der Erkrankung – zu übermitteln.
Der Personalrat hat wegen der Vertraulichkeit und Sensibilität der betreffenden Daten sein Augenmerk besonders auf die Auswahl des betreffenden Personalratsmitglieds zu legen. Das betreffende Personalratsmitglied darf – dem Rechtsgedanken aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayPVG und Art. 69 Abs. 2 Satz 6 BayPVG folgend – die ihm durch Einsichtnahme bekannt gewordenen Tatsachen den übrigen Personalratsmitgliedern nicht offenbaren. Es kann jedoch, soweit dies zur Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe erforderlich ist, die durch Einsichtnahme gewonnenen Erkenntnisse in Form von Schlussfolgerungen in die Beratung des Personalrats einbringen. Ist dem betreffenden Personalratsmitglied aufgrund der Namenslisten ersichtlich, dass Beschäftigten im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX kein BEM angeboten wurde, kann der Personalrat die Dienststelle zu den erforderlichen Maßnahmen auffordern. Die Einsichtnahme in die Liste benötigt das Personalratsplenum dafür nicht. Der Schwerbehindertenvertretung ist in entsprechender Form eine Namensliste der vom BEM betroffenen schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen zu übermitteln.
Der Leitfaden zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement wird derzeit mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt und zu ggb. Zeit in angepasster Form übermittelt.
Hier können Sie die Entscheidung im Volltext nachlesen: BayVGH, 17 P 14.2689