Mitbestimmung der Personalvertretung bei Personalentscheidungen – Informationsrecht

Das OVG des Saarlandes hatte im Verfahren 5 A 264/20 vom 10.08.2021 über das Informationsrecht der Personalvertretung bei einer mitbestimmungspflichtiger Personalentscheidung zu entscheiden.

Umfang der Informationspflicht im Mittbestimmungsverfahren

Nach der Entscheidung des OVG obliegt es der Personalvertretung zu prüfen, ob eine Auswahlentscheidung auf einem unrichtigen Sachverhalt beruhen könnte. Für diese Prüfung besteht auf Seiten der Personalvertretung ein nach objektiven Kriterien auszulegendes Informationsrecht, um die erforderlichen Unterlagen zur Durchführung ihrer Aufgaben zu erhalten.

Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob nach Ablauf der Äußerungsfrist der Personalvertretung, die Zustimmung des Personalrats zur Besetzung angenommen werden kann. Die Personalvertretung hat ihrerseits vergeblich weitere Unterlagen bzw. Informationen für ihre Entscheidungsfindung angefordert.

Sachverhalt: Besetzungsverfahren eines Leiters der Straßenverkehrszulassungsstelle

Im konkreten Fall musste das Besetzungsverfahren wiederholt werden. Die unterlegene und nur als Ersatzperson vorgesehene Bewerberin F war mit ihrem Antrag auf Gewährung eines Einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Arbeitsgericht erfolgreich.

Das Besetzungsverfahren wurde daher am 5.2.2019 wiederholt. Die Antworten der einzelnen Bewerber wurden vom Leiter des Dezernats I stichwortartig protokolliert. Für die Bildung der Gesamtnoten der Bewerber wurden die Prüfungsnote der Ausbildung, sowie die Noten der stimmberechtigen Mitglieder der Auswahlkommission anhand eines Fragenkataloges berücksichtigt. Laut einem am 8.2.2019 angefertigten Vermerks über den fachlichen und persönlichen Eindruck der Bewerber im Verfahren, überzeugte der Bewerber E am meisten.

Am Ende des neuerlichen Besetzungsverfahrens schlug die Verwaltung daher erneut den Bewerber E vor, der bereits im ersten Verfahren den Zuschlag erhielt. Als Ersatzperson wurde dieses Mal die Bewerberin G vorgeschlagen. Die Bewerberin F wurde hierbei an dritter Stelle platziert.

Übergabe der Personalvorlage an die Personalvertretung zur Zustimmung

Die Personalvorlage wurde u. a. mit sechs Anlagen (Stellenausschreibung, Auflistung aller Bewerber mit Werdegang, Auswertung hinsichtlich der Erfüllung des Anforderungsprofils der Ausschreibung, Fragebögen zu den Vorstellungsgesprächen mit beispielhaft vorgegebenen Antworten, tabellarische Niederschrift über das Ergebnis der Vorstellungsgespräche vom 5.2.2019 und Personalbögen der internen Bewerber bzw. Lebenslauf der externen Bewerber) am 13.2.2019 der Personalvertretung übergeben. Mit Schreiben vom 22.2.2019 wurde um Zustimmung gemäß § 73 Abs. 2 Satz 3 SPersVG für die Besetzung innerhalb der vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen gebeten.

Hinweis auf ergänzenden Informationsbedarf wird nicht entsprochen

Am 5.3.2019 macht die Personalvertretung mit der Bitte um Übersendung der Niederschrift vom 5.2.2019 einen ergänzenden Informationsbedarf geltend. Der Personalvertretung wurde am 11.3.2019 mit der Anlage 5 erneut die tabellarische Übersicht mit den enthaltenen Noten übergeben.

Zur Verdeutlichung verwies die Personalvertretung mit ihrem Schreiben vom 15.3.2019 auf die Dokumentation der Ergebnisse der Vorstellungsgespräche, die in der Vergangenheit bei derartigen Einstellungen angefertigt wurden, und führte als Beispiel einen Einstellungsvermerk aus dem Jahr 2013 an.

Am 20.3.2019 lehnte der Dienststellenleiter die ergänzend angeforderten Unterlagen mit der Begründung ab, dass seit dem 11.3.2019 alle Informationen für ein ordnungsgemäßes Mitbestimmungsverfahren vorliegen. Im Übrigen können die Informationen auch vom Personalratsmitglied H erhalten werden, der an den Vorstellungsgesprächen teilgenommen hat.

Mit Schreiben vom 22.3.2019 bestand die Personalvertretung weiter auf die angeforderten Unterlagen.

Dienststellenleiter macht Ablauf der Äußerungsfrist geltend: Zustimmung gilt als erteilt?

Der Dienststellenleiter äußerte am 26.3.2019 gegenüber der Personalvertretung, dass diese seit dem 11.3.2019 alle für Ihre Entscheidung erforderlichen Unterlagen zur Kenntnis hatten, und daher die Äußerungsfrist gemäß § 73 Abs. 2 Satz 3 SPersVG seit dem Vortag verstrichen ist. Mangels schriftlich begründeter Zustimmungsverweigerung gilt die Zustimmung der Personalvertretung daher gemäß § 73 Abs. 2 Satz 5 SPersVG als erteilt.

Personalvertretung verweigert vorsorglich Zustimmung und bestreitet Rechtsweg

Die Personalvertretung widersprach dieser Rechtsauffassung, kündigte die Einleitung eines verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahrens an und verweigert vorsorglich gemäß § 80 Abs. 2 Buchst. a und b SPersVG die Zustimmung.

Begründet wird dies damit, dass es sich u. a. um Informationen handle, die objektiv nur aus dem Verfahren an sich stammen können. Im Übrigen sei es nicht die Aufgabe des anwesenden Personalratsmitglieds, die Personalvertretung umfassend über das Auswahlverfahren zu informieren. Auch habe die Personalvertretung keine Kenntnis darüber, ob die als einzige von der Kandidatin F richtig Beantwortete Frage 7, die vom Dezernenten als falsch gewertet wurde, Einfluss auf die Bewertung hatte.

Im streitgegenständlichem Beschlussverfahren vom 9.5.2019 beantragte die Personalvertretung die Feststellung, dass die Billigungsfiktion nach § 73 Abs. 2 Satz 5 SPersVG nicht eingetreten ist. Nach ihrer Rechtsauffassung beginnt die Äußerungsfrist erst, wenn die Personalvertretung vollständig unterrichtet wurde. Zudem lasse sich aus § 69 Abs. 3 SPersVG kein Begründungserfordernis ableiten.

Für die Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG wurde daher die Niederschriften der Kommissionsmitglieder, die deren Eindrücke widerspiegelten, und der am 8.2.2019 angefertigte Einstellungsvermerk zu Recht angefordert.

OVG Saarland: Keine Billigung der Personalmaßnahme nach Ablauf der Äußerungsfrist

Das OVG hat in diesem Verfahren entschieden, dass durch die unterlassene Äußerung in der dafür vorgesehenen Frist keine Billigung der Personalmaßnahme durch die Personalvertretung vorliegt.

Das der Personalvertretung zustehende Informationsrecht umfasst vorliegend auch die in einem Besetzungsverfahren üblich angefertigte „Dokumentation der Ergebnisse der Vorstellungsgespräche“.

Beginn der Frist erst bei Vorliegen aller erforderlichen Informationen

Grundsätzlich gilt nach § 73 Abs. 2 Sätze 1, 3 und 5 SPersVG eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme als gebilligt, wenn die Personalvertretung seine Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Unterrichtung und Beantragung seiner Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert.

Für diese Billigungsfiktion ist es aber erforderlich, dass der Personalvertretung alle mit der Beantragung der Zustimmung erforderlichen Informationen und Unterlagen rechtzeitig übermittelt wurden. Rechtsgrundlage für den Informationsanspruch ist § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SPersVG, der besagt, dass die Personalvertretung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist.

Personalvertretung wurde nicht umfassende informiert

Darin mangelt es im vorliegenden Fall. Mit der erneuten Übergabe der tabellarischen Übersicht am 11.3.2019 liegt noch keine ausreichende Informationsgrundlage vor. Spätestens mit Anforderung der Niederschriften zum Vorstellungsgespräch am 5.3.2019, hier der Vermerk vom 8.2.2019, wurde dieser ergänzende Informationsbedarf deutlich. Dieser unterliegt auch dem der Personalvertretung zustehendem Informationsrecht.

Dies spiegelt auch die inhaltsgleiche Vorschrift des § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG wider. Das BVerwG erkennt einen Informationsanspruch der Personalvertretung an, soweit sie Auskünfte von Seiten der Dienststelle benötigt, um die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen und ihre Beteiligungsrechte rechtzeitig und uneingeschränkt wahrnehmen zu können.

Informationsanspruch strikt aufgabengebunden

Dieser, auf bestimmte Unterlagen bezogene, Informationsanspruch ist strikt aufgabengebunden, d. h. diese Unterlagen müssen vorlagefähig und die Vorlage erforderlich sein.

In diesem Kontext richtet sich vor allem die Frage der Erforderlichkeit, also der Umfang der Unterrichtungspflicht, nur nach der Bedeutsamkeit der enthaltenen Informationen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Personalvertretung (objektiven Personalvertretung).

Herangezogen wird bei verständiger Würdigung der tatsächlich vorhandene Kenntnisstand der Personalvertretung. Maßstab hierbei ist, was unter Beachtung des Rahmens der durch den Schutzzweck und die gesetzlich zugelassenen Zustimmungsverweigerungsgründe eingeschränkten Mitbestimmungsbefugnisse, noch als für eine zweckentsprechende und sachgerechte Aufgabenerfüllung als bedeutsam angesehen werden kann.

Wahrung der Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauslese bei der Stellenbesetzung

Die Personalvertretung hat daher gemäß § 80 Abs. 2 Buchst. a SPersVG das Recht, die Zustimmung zu verweigern, wenn die Besetzung dem Grundsatz der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG entgegensteht.

Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 80 Abs. 1 Buchst. a und b SPersVG umfasst die Prüfung, ob bei der Auswahlentscheidung die äußeren Grenzen des Auswahlermessens der Dienstelle gewahrt wurde. Diese Sachverhaltskontrolle als ureigene Aufgabe der Personalvertretung dient dazu, sicherzustellen, dass die Dienststelle bei der Vorbereitung ihrer Entscheidung nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.

Im Übrigen steht der Dienstelle, vor allem im Hinblick auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber ein Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu, der auch nur beschränkt gerichtlich nachprüfbar ist.

Angeforderte Unterlagen enthielten entscheidungserhebliche Informationen

Die Anfrage der Personalvertretung um ergänzende Informationen bezog sich eindeutig auf die Klärung, wie die Bewerber auf die im Vorstellungsgespräch gestellten Fragen antworteten. Der Vermerk vom 8.2.2019 enthält mit der Skizzierung dieser Antworten, sowie die Feststellung, ob diese als richtig oder falsch gewertet worden sind, einen für die Dienststelle entscheidungserheblichen Sachverhalt. Zudem sind die maßgeblichen Erwägungen der Notenvergabe ersichtlich. Auch kann Auskunft über die Beantwortung und Qualität der einzelnen Fragen durch die Bewerber, sowie den persönlichen Eindruck, den die Bewerber vermittelt haben, gegeben werden. Der Vermerk plausibilisiert daher die nach den Einstellungsrichtlinien der Landkreisverwaltung durch die Kommissionsmitglieder anlässlich der Bewertung der Vorstellungsgespräche vergebenen Noten.

Eine „objektive Personalverwaltung“ darf daher die Vorlage dieses Vermerks mit den enthaltenen Informationen für die Prüfung der Zustimmung für erforderlich halten.

Informationsrecht entfällt nicht bei Anwesenheit eines Personalratsmitglieds an den Gesprächen

Ein Verweis auf das ebenfalls an den Vorstellungsgesprächen anwesenden Personalratsmitglied H lässt das Informationsrecht der Personalverwaltung nicht entfallen.

Die Personalverwaltung hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden

Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Dienstvereinbarungen eingehalten werden. Zur Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe bedarf es keiner Darlegung eines besonderen Anlasses, wie z. B. einer Rechtsverletzung.

Sie hat daher nach § 72 Abs. 1 2. Hs. SPersVG ein Teilnahmerecht bei Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen im Rahmen eines Auswahlverfahrens. Dieses Teilnahmerecht dient der Transparenz und Informationsgewinnung, schwächt allerdings die Informationspflicht des Dienststellenleiters nach   69 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SPersVG nicht ab.

Zum anderen wurde von Seiten der Personalverwaltung noch vor Ablauf der am 11.3.2019 in Gang gesetzten Äußerungsfrist dargelegt, dass das Personalratsmitglied H nicht alle gestellten Fragen habe beantworten können und die angeforderten Unterlagen, namentlich die erstellte Dokumentation der Ergebnisse der Vorstellungsgespräche oder ersatzweise die von der Verwaltung und den Kreistagsmitgliedern ausgefüllten Bewertungsbögen, daher benötigt würden.

Personalvertretung war nicht ausreichend informiert

Aus diesem Grund war die Personalvertretung durch die Übergabe der Unterlagen am 11.3.2019 noch nicht vollständig informiert. Folglich ist die Frist für die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung mit Ablauf des 25.3.2019 nicht verstrichen. Die unterlassene Äußerung der Personalvertretung kann daher nicht als Zustimmung gewertet werden.

Quelle: OVG des Saarlandes, Beschluss v. 10.08.2021 - 5 A 264/20