Impfpflicht für Beamte – zu den Voraussetzungen und Alternativen
Aktuell scheint sich die Bundesregierung von einer allgemein verpflichtenden Schutzimpfung gegen das Corona Virus zu distanzieren. Indes sind bereichsspezifische Impfzwänge nicht gänzlich ausgeschlossen.
Der Staat als Dienstherr könnte zu dem Schluss kommen, dass seine Fürsorgepflichten dafür sprechen, eine Impfung von Beamten vorzusehen. Indirekt würde eine solche Vorgehensweise auch zum Schutz der gesamten Bevölkerung beitragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Impfbereitschaft allgemein abnimmt.
Darf der Dienstherr überhaupt den Impfstatus von Beamten in Erfahrung bringen?
Der Impfstatus von Beamten gehört zu den Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 4 Nummer 15 DSGVO. Insoweit handelt es sich gemäß Art. 9 Absatz 1 DSGVO um besondere personenbezogene Daten, deren Verarbeitung nur ausnahmsweise zulässig ist. Soweit Beamte im medizinisch-gesundheitlichen Bereich tätig sind, ist eine Abfrage des Impfstatus gemäß § 23a IfSG in Verbindung mit § 23 Absatz 3 IfSG möglich.
Ansonsten wäre an § 26 Absatz 3 BDSG (bei Beamten des Bundes) oder entsprechende landesrechtliche Vorschriften zu denken. Nach Verlautbarungen der Datenschutzbeauftragten der Länder ist eine Abfrage des Impfstatus außerhalb der in § 23 Absatz 3 IfSG genannten Bereiche aktuell grundsätzlich unzulässig. Sofern diese Rechtsauffassung Bestand hat, bräuchte es also zunächst eine verfassungskonforme Grundlage, um diese Informationen in Erfahrung zu bringen.
Rechtsgrundlage für eine Impfpflicht von Beamten
Pflicht zur Gesundhaltung dürfte ausscheiden
Nach § 61 Absatz 1 Satz 1 BBG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften haben sich Beamtinnen und Beamte mit vollem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Hieraus folgt ihre Pflicht zur Gesunderhaltung. Diese Vorgabe dürfte nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen allerdings nicht spezifisch genug sein, um eine Impfung verpflichtend vorzusehen.
§ 20 Absatz 6 Satz 1 IfSG kommt grundsätzlich in Betracht
Nach § 20 Absatz 6 Satz 1 IfSG kann durch Rechtsverordnung angeordnet werden, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Diese situationsbezogenen Anforderungen sind bei SARS-CoV-2 erfüllt.
Welche Beamten als Teil der bedrohten Bevölkerung anzusehen sind, lässt sich hingegen nicht auf Anhieb feststellen. Zur Bestimmung bieten sich unter anderem folgende Kriterien an:
- Tätigkeitsbereich
- individuelle Merkmale bzw. Risikofaktoren (z. B. Alter)
Eine entsprechende Rechtsverordnung oder auch ein spezifisches Gesetz zur Impfpflicht von Beamten müsste selbstverständlich verfassungskonform sein. In § 20 Absatz 6 Satz 1 IfSG zeichnen sich bereits materiell-rechtliche Vorgaben aus dem Grundgesetz ab. Konkret ermöglicht etwa das Tatbestandsmerkmal „andere Maßnahmen“ die Auswahl weniger eingriffsintensiver Mittel.
Verfassungsrechtliche Aspekte
Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG schützt die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen. Insoweit schützt die Vorschrift Beamte grundsätzlich vor unerwünschten Impfungen. Eine Impfplicht kann allerdings gerechtfertigt sein.
Maßgeblich ist diesbezüglich, ob die jeweilige Rechtsgrundlage mit dem Übermaßverbot bzw. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Aktuell sind Impfungen das effektivste Mittel, um Individuen und die Allgemeinheit zu schützen. Insoweit verbleibt die Frage, ob von einer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne auszugehen ist.
Argumente für eine Impfplicht
Für eine Impfpflicht von Beamten spricht – in verschiedenen Bereichen – das Allgemeinwohl.
- Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer Beamter und der Behördenbesucher
- Schutz der Allgemeinheit; insbesondere auch soweit eine sogenannte Herdenimmunität nicht mittels freiwilliger Impfungen zu erreichen ist
- Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung
- Die Vakzine wurden durch diverse nationale Behörden geprüft und zugelassen.
Argumente gegen eine Impfpflicht
Gegen eine Impfpflicht von Beamten spricht, dass es aktuell nicht möglich ist, die Unbedenklichkeit der Vakzine zu garantieren.
- Laut diversen Presseberichten treten zumindest gelegentlich schwerwiegende Nebenwirkungen auf.
- Insbesondere bei den mRNA Impfstoffen ist der kurze Entwicklungszeitraum zu berücksichtigen. Bei den Vektorimpfstoffen verhält sich dies etwas anderes. Diese Technologie wurde bereits in der Vergangenheit eingesetzt. Nichtsdestotrotz fehlt es bei allen Varianten an Erfahrungen hinsichtlich langfristiger Auswirkungen. Wer einem Impfzwang unterliegt, wird demnach einem Risiko ausgesetzt. Dem ist das aus einer Erkrankung folgende Risiko gegenüberzustellen.
Hinsichtlich der konfligierenden Interessen sind zwei miteinander in Verbindung stehende Aspekte zu beachten. Zunächst werden im Laufe der nächsten Monate fortwährend Daten bzw. Erkenntnisse hinzukommen, die eine treffendere Einschätzung ermöglichen. Ein Restrisiko hinsichtlich der langfristigen Folgen verbleibt dennoch.
Wie dieses zu bewerten ist, obliegt grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Hieran ändert auch die mögliche Tragweite von Entscheidungen zunächst nichts. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zum Ausdruck gebracht, dass dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zusteht.
Alternativen zur Impfpflicht
Falls von dem Erlass einer gesetzlichen Impfpflicht abgesehen wird, bestehen für den Staat als Dienstherrn trotzdem Schutzpflichten. Es kommen verschiedene Maßnahmen in Betracht, die zur Risikoreduzierung beitragen können. Bei der Auswahl ist je der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Es hängt also immer vom konkreten Einzelfall ab, ob sie zulässig sind.
- Hygienemaßnahmen
- Home-Office
- Umsetzung
- Abordnung
- Versetzung
Über ihre Notwendigkeit wird wiederrum die allgemein vorhandene Impfbereitschaft in den kommenden Monaten entscheiden.
Quellen: BVerfG, Beschl. v. 12.05.2020 - 1 BvR 1027/20;
Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz Darf ein Arbeitgeber/Dienstherr den Impfstatus von Beschäftigten erheben oder deren Impfbereitschaft abfragen? (abgerufen am: 14.04.2021)