Fall für den EuGH: Werden Teilzeitbeschäftigte diskriminiert?

Der EuGH prüft, ob die Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei tarifvertraglicher Überstundenregelungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Teilzeitbeschäftigte macht Entschädigungsansprüche geltend

Die Klägerin ist in Teilzeit (40 % der regelmäßigen Arbeitszeit) bei der Beklagten als Pflegekraft beschäftigt.

Sie macht gerichtlich einen Anspruch auf Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto von 38 Stunden und 49 Minuten, sowie eine Entschädigungszahlung gemäß § 15 Abs. 2 AGG geltend.

Ihrer Meinung verstößt die Klausel des maßgeblichen Manteltarifvertrags (MTV) gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Danach sind Regelungen gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aufgrund ihrer Teilzeitarbeit ohne sachliche Gründe schlechter behandelt werden als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.

Manteltarifvertrag begünstigt nur Vollzeitbeschäftigte

Der MTV sieht in § 10 Ziffer 7 Satz 2 vor, dass geleistete Überstunden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus anfallen, mit einem Zuschlagsfaktor von 30 Prozent abzugelten sind, wenn im jeweiligen Kalendermonat keine Freizeitgewährung möglich ist.

Alternativ zu einem finanziellen Ausgleich können die Überstunden auch durch eine Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Beschäftigten abgegolten werden.  

Beklagte leistete keinen Überstundenzuschlag oder eine Zeitgutschrift

Die Klägerin hat nachweislich ihres Arbeitszeitkontos Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten, welche über ihre arbeitsvertraglich zu leistender Arbeitszeit hinaus geht. Ein Überstundenzuschlag oder eine Zeitgutschrift durch die Beklagte erfolgte nicht.

Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten?

Die Klägerin ist daher der Auffassung, § 10 Ziffer 7 Satz 2 des MTV enthält eine nicht zulässige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten.

Zudem sind bei der Beklagten überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftigt. Daher liegt durch die genannte Klausel im MTV entsprechend der Wertung des § 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und § 1 AGG eine mittelbare Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten aufgrund ihres Geschlechts vor.

Klägerin unterliegt erstinstanzlich und bestreitet den Rechtsweg fort

Erstinstanzlich wurde die Klage vor dem Arbeitsgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klägerin zum Teil Erfolg.

Die Beklagte wurde dazu verurteilt, die geforderten Stunden dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben. Einen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG verneint das LAG. (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 19. Dezember 2019 – 5 Sa 436/19 –).

Im Anschluss legte die Klägerin Revision ein und verfolgt weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, sowie durch Anschlussrevision die Abweisung der gesamten Klage.

EuGH am Zug

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts setzte daraufhin das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH den Sachverhalt, zusammen mit Fragen zur Auslegung von Unionsrecht, zur Beantwortung vor (zum vollständigen Wortlaut der Vorlagefragen: 8 AZR 370/20 (A).

Anmerkung der Redaktion

Die abschließende unionskonforme Klärung des Rechtsstreits kann weitreichende Auswirkungen auf das Arbeitsvertrags- und Tarifrecht haben. Wann eine Entscheidung in dieser Sache erfolgen wird, ist nicht absehbar. Sie werden aber wie gewohnt unter über aktuelle Entscheidungen informiert.

Quelle: BAG, Beschluss vom 28. Oktober 2021, 8 AZR 370/20 (A)