Corona-Pandemie erschwert rechtsfehlerfreie Personalratswahlen – handelnde Akteure in der Pflicht
Kommentar von Helmuth Wolf zu den Auswirkungen der aktuellen Krise auf den rechtssicheren Ablauf der Wahlen.
Das öffentliche Leben in Deutschland ist bis auf Weiteres stark eingeschränkt. Die aktuellen Maßnahmen haben umfangreiche Auswirkungen auf die Bewegungsfreiheit jedes Einzelnen und somit auch auf die der Beschäftigten in den öffentlichen Dienststellen. Dies bedeutet nicht nur Home-Office, Schließung von Dienststellen oder Teilen davon, sondern auch in einigen Dienststellen das Überschreiten der Belastungsgrenzen der Beschäftigten.
Nach den Personalvertretungsgesetzen gelten insbesondere für die Durchführung von Personalratswahlen strenge rechtliche Vorgaben. Die Durchführung rechtsfehlerfreier Personalratswahlen wird durch die aktuelle Situation jedoch faktisch unmöglich. Es bedarf unverzüglich der Initiative der handelnden Akteure.
Alternative: Wahlen verschieben
Obwohl dies dringend notwendig wäre, wird sowohl vom Bundesgesetzgeber als auch von den betroffenen Landesgesetzgebern eine rechtliche Hilfestellung vermutlich nicht zu erwarten sein. Lediglich die hessische Politik reagiert schnell im Hinblick auf die laufenden Personalratswahlen: Der Hessische Landtag hat am 24. März 2020 in erster und zweiter Lesung über einen Gesetzesentwurf beraten, der eine Verlängerung der Amtszeit aller nach dem HPVG gewählten Personalvertretungen über den 31. Mai 2020 hinaus vorsieht, längstens bis 31. Mai 2021. Durch diese Verschiebung der Personalratswahlen wird eine personalratslose Zeit vermieden.
Rechtliche Unsicherheit vermeiden
Was bleibt aber den Wahlvorständen in den Fällen, in denen Personalratswahlen durchzuführen sind, aber noch nicht stattgefunden haben oder in denen sich die neugewählten Personalräte noch nicht konstituiert haben? Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen führt eine solche Lage zu einer personalratsfreien Zeit. Kann dies jedoch in der derzeitigen Situation gewollt sein? Müssen nicht gerade jetzt Personalvertretungen handlungsfähig sein? In dieser besonderen Situation der höheren Gewalt müssen im Konsens aller handelnden Akteure Lösungen gesucht und gefunden werden. Das Land Hessen hat hierzu ein positives Zeichen gesetzt.
Im Landespersonalvertretungsgesetz von Nordrhein-Westfalen ist bereits eine gesetzliche Regelung zur Entschärfung von Notsituationen enthalten: § 23 LPVG NRW regelt, dass nach Ablauf der Amtszeit des bisherigen Personalrats dieser die Geschäfte weiterführt, bis der neue Personalrat zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten ist. Eine Zeit ohne Personalvertretung wird so vermieden. In diesem Fall könnte eine Lösung der aktuellen Problematik darin bestehen, dass Wahlvorstände aufgrund der besonderen Situation ihre Wahlausschreiben zurückziehen.
Was aber ist mit den anderen betroffenen Ländern und dem Bund?
In Niedersachsen und in den Dienststellen des Bundes, in denen die Personalratswahlen bereits stattgefunden haben, stellt sich zunächst die Frage nach der Durchführung der konstituierenden Sitzung. Aber auch in allen anderen Bereichen gilt es, Lösungen für offene Rechtsfragen zu finden, erwähnt seien beispielhaft Sitzung des Wahlvorstandes, Teilnahme der Gewerkschaftsbeauftragten, Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis, Sammlung der Stützunterschriften, Durchführung der Wahlhandlung oder die öffentliche Auszählung der Stimmen.
In den jeweiligen Personalvertretungsgesetzen ist der reguläre Ablauf all dieser Situationen verbindlich geregelt. In der derzeitigen Lage ist eine gesetzeskonforme Durchführung all dieser Wahlabschnitte ohne eine Rechtsänderung jedoch kaum möglich. Lediglich die Frage der generellen Anordnung einer Briefwahl bezogen ausschließlich auf diesen Katastrophenfall ließe sich wohl durch den Verordnungsgeber regeln. Aber ist er dazu bereit? Lösungen für alle anderen Fragen dagegen sind nur in Übereinstimmung aller betroffenen Akteure zu finden. Gibt es keinen Konsens, müssen die Wahlvorstände ihr Handeln einstellen, denn sie tragen die Verantwortung für eine ordnungsgemäße, gesetzeskonforme Durchführung der Personalratswahl. Eine Zeit ohne Personalvertretung wäre dann unvermeidbar.
Geringe Wahlbeteiligungen zu erwarten
Ein weiteres Problem wirft die zu erwartende niedrige Wahlbeteiligung auf: Wie steht es um die Akzeptanz und die demokratische Legitimation eines Personalrats, wenn, was unter den derzeitigen Bedingungen nicht auszuschließen ist, die Wahlbeteiligung sehr gering ist, oder gar gegen Null geht? Muss nicht gerade in dieser Situation auch die Dienststelle ein besonderes Interesse an einer handlungsfähigen und von allen Beschäftigten akzeptierten Personalvertretung haben?
Die Zeit drängt. Gesetz- und Verordnungsgeber sind aufgerufen, nach dem Vorbild der hessischen Politik zügig zu handeln. Darüber hinaus sollten die Wahlvorstände mutig ihre Ermessensspielräume ausschöpfen. Zu hoffen ist, dass alle Beteiligten übereinstimmen, die Personalratswahlen so weit wie möglich durchzuführen und die Wahlergebnisse nicht anzufechten. In Anbetracht der Corona-Krise darf keine überzeugende Entscheidung eines Wahlvorstandes im Rahmen einer Wahlanfechtung aufgehoben werden.
Über den Autor:
Helmuth Wolf, Mitglied im Dozententeam hwolf, Dozent, Autor, Berater. Bundesweit schult und berät er regelmäßig Personalräte, Personalverantwortliche sowie Wahlvorstände und verfügt so über eine umfassende Erfahrung in der täglichen Anwendung des Personalvertretungsrechts. Autor und Mitbegründer von FOKUS Personalvertretungsrecht.