Benachteiligung wegen Schwerbehinderung
Das Bundesarbeitsgericht hat erneut darauf hingewiesen, dass die mangelnde Einholung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bei einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen Entschädigungsansprüche nach dem AGG auslösen kann.
Kündigung von schwerbehinderten Menschen
Das SGB IX schützt und fördert schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben. Nach § 168 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Ohne Zustimmung ist die ausgesprochene Kündigung nichtig.
Entschädigungsansprüche nach dem AGG
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet unter anderem Benachteiligungen wegen einer Behinderung. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.
Wenn der Arbeitgeber es verabsäumt, die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, kann eine Vermutung zugunsten des schwerbehinderten Menschen vorliegen, dass die Kündigung gerade wegen der Schwerbehinderung erfolgte (§ 22 AGG). Der Arbeitgeber kann diese Vermutung jedoch entkräften und ist hierfür beweislastpflichtig.
BAG zur Indizwirkung des § 22 AGG
Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – die oben ausgeführten Rechtssätze bekräftigt und sich mit der Frage beschäftigt, was der schwerbehinderte Mensch auf Klägerseite darlegen muss, um sich auf die Vermutung des § 22 AGG stützen zu können. Entweder muss ein Nachweis der Schwerbehinderung durch eine behördliche Feststellung vorliegen oder die Schwerbehinderung ist zum Zeitpunkt der Kündigung offenkundig.
Da im betreffenden Verfahren keine behördliche Feststellung der Schwerbehinderung vorlag, ging es um den Aspekt der Offenkundigkeit. Diese ist nicht gegeben, wenn zwei Tage vor der Kündigungserklärung die Arbeitgeberseite informiert wird, dass der Arbeitnehmer infolge eines Schlaganfalls mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation liegt.
Mangels Offenkundigkeit einer Schwerbehinderung lag keine Vermutung einer Benachteiligung im Sinne des AGG vor und dem Kläger stand kein Schadensersatzanspruch zu. Der Kündigungsschutzprozess wurde mit einem Vergleich beendet.