Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) bewertet Corona-Infektion eines Polizeibeamten und eines Lehrers als Dienstunfall

Der BayVGH hat in zwei Einzelfällen am 05.06.2024 entschieden, dass eine Corona-Infektion während der Dienstausübung als Dienstunfall zu werten ist.

Die Kläger, ein Polizeibeamter und ein Lehrer, hatten geltend gemacht, dass sie bei Ihrem Tätigkeitsfeld einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt waren. Das hatten auch die Verwaltungsgerichte Augsburg und Würzburg so gesehen. Der BayVGH wies nun die Berufung des Freistaates Bayern zurück. Revision wurde nicht zugelassen. Ob der Freistaat beim BVerwG Nichtzulassungsbeschwerde erhebt, ist offen. Insofern ist das Berufungsurteil des BayVGH (3 BV 21.3116 und 3 B 22.809) bisher nicht rechtskräftig. Langtext des Urteils liegt noch nicht vor.

Der BayVGH stellte dazu fest: Der Polizist und der Lehrer seien bei ihren konkreten Tätigkeiten in ähnlichem Maß wie eine Person im Gesundheitsdienst, der Pflege oder einem Labor der Gefahr einer Infizierung mit dem Coronavirus besonders ausgesetzt gewesen.

Der Polizist zog sich die Infektion bei einem dienstlich angeordneten Übungsleiterlehrgang zu. Der Lehrgang, so der BayVGH, sei ein absoluter infektiöser Hotspot gewesen. 19 von 21 Teilnehmern erkrankten an Corona. Der Lehrgang wurde wegen der erkennbaren Zahl der Erkrankungen schließlich abgebrochen. Im Rahmen des praktischen Lehrgangsteils hatten u.a. in Innenräumen Partnerübungen ohne Schutzmasken mit Körperkontakten der Kollegen stattgefunden. Umkleiden und Duschen wurden gemeinsam genutzt. Nach Überzeugung des Berufungsgerichts bestand im Vergleich zur übrigen Bevölkerung eine wesentlich höhere Ansteckungsgefahr.

Ähnliches gilt für die Arbeitssituation des klagenden Lehrers an der staatlichen Wirtschaftsschule in Unterfranken. Gegenüber den Durchschnittszahlen des Bundesgebietes sowie an anderen bayerischen Schulen wies die Wirtschaftsschule unbestritten ein erhöhtes Infektionsgeschehen auf. Sie wurde am 02.12.2020, also erst nach der Infektion des klagenden Lehrers, bis auf Weiteres geschlossen und auf Distanzunterricht umgestellt. Erheblich für die Entscheidung des Berufungsgerichts war auch die Tatsache, dass der Lehrer während des Präsenzunterrichts den Mindestabstand von 1,5 Metern aus zwingenden pädagogisch-didaktischen Gründen unterschreiten musste. Im Unterrichtsfach „Übungsunternehmen“ war ein häufiger engerer Kontakt zu den Schülern unausweichlich, wenn z.B. der Lehrer auf PCs der Schüler blicken musste. Im Übrigen hielten einzelne Schüler die angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen nicht ein.

Unser Autor:

Gerd Tiedemann, eigenständiges Mitglied im dozenten.team, Regierungsdirektor a.D. (Diplom-Verwaltungswirt); ehem. Ortsamtsleiter (sog. „Stadteilbürgermeister“) Hamburg-Finkenwerder sowie Dezernent Bürgerservice im Bezirksamt Hamburg-Mitte, Dozent bei der dbb akademie, bei Walhalla Seminare sowie in Inhouseschulungen mit den Themen Arbeits- und Tarifrecht, Personalvertretungsrecht¸ Kommunikationstechniken, Vermittlung mediativer Kompetenzen, Konfliktmanagement, Moderation von Klausurtagungen für Personalräte und Personalverantwortliche