44 Jahre Bundespersonalvertretungsgesetz – ein Rückblick
von Heinz Eilers
Mehr Demokratie wagen – dieser Anspruch wurde 1974 mit den Prinzipien der Mitbestimmung und Mitwirkung auch im neuen Bundespersonalvertretungsgesetz verwirklicht. Lesen Sie einen Rückblick auf 44 Jahre BPersVG.
Am 15. März 1974 ist das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) in Kraft getreten. Der Gesetzesverkündung vorangegangen war eine mehrjährige intensive Diskussion.
Mehr Demokratie wagen
Sie begann mit der Aussage des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung nach seiner Wahl am 28. Oktober 1969: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Diese Aussage sollte auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes rechtliche und tatsächliche Wirksamkeit entfalten.
Wie war die gesellschaftliche Situation damals?
Es war die Zeit von Protest und Kritik. Die Idole des überwiegend studentischen Protestes waren Che Guevara oder Ho Chi Min. Die extreme Rechte saß in der Hälfte der westdeutschen Landtage. Erst gab es eine Große Koalition zur Bewältigung der damals überwiegend wirtschaftlichen Probleme des Landes und dann eine neue politische Konstellation: Die sozialliberale Koalition aus SPD und FDP.
Die damalige DGB-Gewerkschaft „Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr-ÖTV“ (heute Ver.di) und der Deutsche Beamtenbund (heute dbb beamtenbund und tarifunion) hatten bei ihren Forderungen nach größerer Teilhabe in Fragen der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst bestehende Modelle der Wirtschaft vor Augen, wie etwa die Montanmitbestimmung oder die paritätische Mitbestimmung. Einig waren sie sich, dass die Vorläuferregelungen aus dem Jahr 1955 unzureichend waren und nicht mehr in die Zeit passten. So war es keine Überraschung, dass in der Regierungserklärung von Willy Brandt bereits die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsgesetzes angekündigt wurde.
Brandt sagte außerdem: „Im Rahmen der Reform des Personalvertretungsgesetzes wird eine materielle und formelle Ausweitung der Mitwirkung der Personalvertretung vorgeschlagen. Unabhängig davon wird die Bundesregierung in ihrem Bereich schon jetzt Wert darauf legen, dass die Personalräte auch in solchen Sachfragen gehört werden, die nach geltendem Recht noch nicht zu deren Zuständigkeitsbereich gehören. Der in der vergangenen Legislaturperiode angeforderte Bericht der Mitbestimmungskommission wird geprüft und erörtert werden. Wir wollen die demokratische Gesellschaft, zu der alle mit ihren Gedanken zu einer erweiterten Mitverantwortung und Mitbestimmung beitragen sollen.“
Bei den „Vorbildern“ aus der Wirtschaft und dem Wortlaut der Regierungserklärung musste es zwangsläufig zu Enttäuschungen kommen, als das Bundespersonalvertretungsgesetzt nach der Unterzeichnung durch den damaligen Bundespräsidenten Heinemann und mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt im März 1974 in den Praxistest für den Bereich des Öffentlichen Dienstes ging.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit als Kernprinzip des Bundespersonalvertretungsgesetz
Aber misst sich der Erfolg oder Misserfolg an Erwartungen und deren Erfüllung, oder vielleicht eher an der gelebten Erfahrung mit diesem Gesetz? Generationen von Dienststellenleitern und Personalräten haben hier ihre Erfahrungen gemacht. Vielleicht lohnt sich ein Blick ins Gesetz selbst, das ja bekanntlich die Rechtsfindungen und vielfach auch den Umgang miteinander erleichtert. Das Schlagwort dafür lautet: Vertrauensvolle Zusammenarbeit!
Das Gesetz sagt dazu in § 2 Abs. 1: „Dienststelle und Personalvertretung arbeiten unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen.“
Eigentlich steht da schon alles drin. Der Personalrat ist nicht die „Opposition“ gegenüber der Dienststelle und Ihrem Leiter oder Leiterin oder gar deren Gegner. Das Gesetz von damals macht Dienststelle und Personalrat zu gleichberechtigten Partnern. Beide müssen und sollten das Wohl der Beschäftigten und die Aufgaben der Behörde in gleicher Weise im Blick haben und ihr beteiligungspflichtiges Handeln danach ausrichten.
Kommunikation auf gleicher Augenhöhe
Aber nicht immer sind die Verhältnisse so und der Gesetzgeber hat das 1974 bereits geahnt. Deshalb finden sich im Bundespersonalvertretungsgesetz so kluge Regelungen wie die Verpflichtung zum Monatsgespräch. Kommunikation auf gleicher Augenhöhe ist schließlich alles und heute wichtiger denn je. Wo könnte besser mit dem festen Willen zur Einigung offen, auch kontrovers diskutiert und nach Lösungen gesucht werden, als in einem solchen Gespräch. Der „Monatszwang“ ist deshalb vorausschauend in das Gesetz aufgenommen worden, weil Gesprächsverweigerern kein Raum gegeben werden sollte.
Der Grundgedanke Ende der 60er Jahre in der alten Bundesrepublik war die stärkere Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger auch in ihrer Eigenschaft als Beschäftigte. Sie ist ein Element der Stärkung der Demokratie und des Engagements der Demokraten.
Dennoch waren im Gesetzgebungsverfahren eine Reihe von Regelungen in den beteiligten Bundestagsausschüssen umstritten. Die damalige CDU/CSU Opposition hatte zudem zahlreiche Änderungsanträge gestellt, stimmte aber am Ende in der Schlussabstimmung zu. So konnte das Bundespersonalvertretungsgesetz nach mehrjähriger Beratung mit lediglich zwei Enthaltungen verabschiedet werden. Die ÖTV und der DBB hätten sich gern mehr Mitbestimmung gewünscht, dennoch war das Regelungswerk gegenüber dem Gesetz von 1955 ein deutlicher Fortschritt. Von vielen Anwendern wird zudem der logische Aufbau die Lesbarkeit gelobt.
Personalratsarbeit als ehrenamtliches Engagement
Das Bundespersonalvertretungsgesetz macht seit 44 Jahren deutlich: Personalräte arbeiten im Ehrenamt. Sie sind nicht „ernannt“, sondern gewählt. Das Gebot des partnerschaftlichen Umgangs miteinander verlangt auf beiden Seiten Augenhöhe und ein solides Grundwissen der gesetzlichen Grundlagen, von der Anhörung über die Mitwirkung bis hin zur Mitbestimmung und die Möglichkeit, als Personalvertretung selbst initiativ zu werden. Das Bundespersonalvertretungsgesetz weist den Personalvertretungen aus gutem Grund nicht nur die Rolle zu, auf Vorhaben und Entscheidungen der Dienststelle zu reagieren, sondern gibt ihnen seit Jahrzehnten die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden.
Der Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber 1974 eröffnet hat, ist vielfach größer, als manche Personalvertretungen in der notwendigen Alltagsroutine erkennen. Der partnerschaftliche Ansatz des Gesetzes hat zudem den Vorteil, gemeinsam für richtig gehaltene und beispielsweise in einer Dienstvereinbarung niedergelegte Inhalte und Verfahren auch gemeinsam gegenüber den Beschäftigten zu vertreten, um so für Akzeptanz zu sorgen, die eine weitgehende störungsfreie Umsetzung ermöglicht.
Ausblick auf eine Reform des BPersVG
Dass aber aktuell, wie auch Bundesminister Seehofer angekündigt hat, Veränderungsbedarf besteht, ist den vielen Anwendern des Gesetzes klar. Die Welt hat sich über mehr als vier Jahrzehnte rasant verändert. Die Wiedervereinigung unseres Landes, die technische Entwicklungen und die Veränderungen in der Gesellschaft durch die Digitalisierung, die Anpassung von Behördenstrukturen an heutige Gegebenheiten und auch die Rechtsprechung machen eine Reform überfällig.
Über den Autor:
Heinz Eilers, Regierungsdirektor a. D., langjähriger Dozent der dbb akademie und anderer Fortbildungseinrichtungen. Rund 13 Jahre Vorsitzender des Personalrats im Bundespräsidialamt, 10 Jahre Erfahrung als ehrenamtlicher Richter beim Verwaltungsgericht Berlin und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Autor für FOKUS Personalvertretungsrecht.